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Literaturtipp: Ein Führer durch das lasterhafte Berlin der 20er Jahre

Curt Moreck - Führer durch das lasterhafte Berlin

Das deutsche Babylon 1931 – Curt Moreck

Berlin der 20er Jahre: Mit Curt Morecks „Ein Führer durch das lasterhafte Berlin“ wollen wir Ihnen heute einen spannenden Literaturtipp zeitgenössischen Lesestoffs mitgeben. Denn wenn Sie einen Eindruck einer Zeit gewinnen wollen, sollten Sie auch unbedingt Literatur aus der entsprechenden Zeit lesen. Bedenken Sie dabei die Intentionen des Schriftstückes, aber Sie erfahren Ungeahntes darüber, wie eine Zeit funktionierte.

Ein solches Zeitzeugnis veröffentlichte der be.bra Verlag mit Curt Morecks „Führer durch das lasterhafte Berlin“. Es ist eine Art Mischung aus einem Reiseführer und einem journalistischen Werk, dem der Berlinbesucher, prächtig durch den Witz des Autoren unterhalten, durch die Stadt folgen kann – übrigens mitnichten der einzige Führer durch das Berlin der 20er Jahre. Dabei sind Curt Morecks lokale Hinweise aus heutiger Perspektive ebenso spannend, wie seine Wertungen der Gegebenheiten, die viel darüber erzählen, wie ein Mensch in den 20ern dachte. Er zeigt sich dabei als durchaus offener und liberaler Zeitgenosse, es verwundert nicht, dass der auf Kultur- und Sittengeschichte spezialisierte Journalist und Autor während des Nationalsozialismus verboten wurde. Dabei füttert er aber nicht blind den Mythos Berlins der 20er, zeitweise zeigt er sich regelrecht enttäuscht.

Mythos oder Wahrheit? Berlin der 20er Jahre

Man kann es sich vielleicht wie bei einem Besuch des Amsterdamer Rotlichtviertels heutzutage vorstellen: Dieses Viertel wird 1000fach besucht, um etwas Anrüchiges, Verruchtes und potentiell Gefährliches zu erleben – aber dadurch, dass es 1000fach besucht wird, verliert es eben das Verruchte und wird zum inszenierten (aber dafür geschützten) Massenspektakel.

Aber da wir das Berlin der 20er Jahre ja eh nicht mehr besuchen können, brauchen wir vor den möglichen Enttäuschungen ja keine Angst mehr zu haben. Und auch wenn die Information, wo man 1931 in Berlin gut und günstig zu Mittag essen konnte, uns heute nicht mehr viel nützt, so bleibt der „Führer durch das lasterhafte Berlin“ ein Dokument, dass viel mehr erzählt, als damals intendiert war. Zusätzlich wurde es mit vielen Bildern ausgestattet – absolut spannend!

Dieser Buchtipp erschien auch im Rahmen von anderen Artikeln zum Thema Berlin der 20er Jahre in Ausgabe 31 des Vintage Flaneurs

Auch spannend: Über das Organisieren einer 20er Jahre Party

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Was ziehe ich heute an? Die Pariser Antwort auf die Frage aller Fragen – Literaturtipp

Frau in Kleid vor Eifelturm

(Promotion) In der Ausgabe Nr.22 des Vintage Flaneurs beschäftigen wir uns u.a. mit dem ominösen Phänomen des Pariser Modestils und verweisen dabei auch auf den Style Guide „Pariser Chic“ von Inès de la Fressange. Für alle Modebegeisterten, die noch immer nicht genug von der Pariser Eleganz haben, ist sicherlich auch der im April 2017 erschienene, zweite Band „Was ziehe ich heute an? Pariser Chic – Einfach perfekt für jeden Anlass“ ein inspirierendes Lesevergnügen.

Vom Mädchenabend mit den besten Freundinnen über den Nachmittag mit den Kids auf dem Spielplatz bis zur perfekten Business- und Abendgarderobe – Inès de la Fressange zeigt uns den perfekten Stil einer Pariserin für alle Gelegenheiten.
Die Modeikone zeigt eine Garderobe aus zeitlosen und einfachen Basics, die sich zu großen Teilen garantiert schon im eigenen Kleiderschrank befinden und in immer neuen Kombinationen einfach stylish aussehen. Zu jedem Look präsentieren Fotos die einzelnen Teile im Detail und dazu das perfekte Ergebnis. Dazu gibt es amüsante Tipps, welche modischen Kniffe zu empfehlen sind oder doch eher vermieden werden sollten.

Zugegeben: True Vintage Ladies und Rockabellas mit Leib und Seele auf der Suche nach Tipps für den perfekten Vintage Look im Pariser Stil werden im Style Guide von Inès de la Fressange und Sophie Gachet nicht fündig. Die Paris Looks von Inès de la Fressange sind modern, reduziert, aber immer lässig elegant und zeitlos. Auch dieses Mal geben die Farben Schwarz, Weiß, Beige und Dunkelblau in den modischen Vorschlägen den Ton an. Das kleine Schwarze und der schicke Hosenanzug sind immernoch unverzichtbares Musthave im Kleiderschrank der modisch sicheren Frau. Viel Wert legt Fressange dieses Mal außerdem auf den jeweiligen Look abrundende Handtaschen, die besonders, wenn es mit den Kindern an die Frische Luft geht, groß genug, praktisch und trotzdem schick sind.

Bei allem geht es Fressange keineswegs darum, jeder neuen Trendvorgabe hinterher zu rennen, vielmehr geht es ihr um eine solide, modische Grundausstattung und die Kombination zeitloser Basics, die letzten Endes für einen modisch souveränen und eleganten Pariser Look sorgen.
„Was ziehe ich heute an?“ ist ein praktisches Ideenbuch für stilbewusste und mode-interessierten Leserinnen, das sich leicht und unterhaltsam liest und durch seine reiche Bebilderung viel fürs Auge bietet. Es zeigt jeder Frau, wie sie sich leicht und unkompliziert anzieht und jeden Tag in ihrer Kleidung absolut wohlfühlt. Lässig und elegant wie eine Pariserin eben.

Inès de la Fressange/ Sopie Gachet
Was ziehe ich heute an? Pariser Chic – einfach perfekt für jeden Anlass

Broschiert, 160 Seiten,
mit 150 farbigen Abbildungen
aus dem Französischen von Ursula Held
erschienen im Knesebeck Verlag
Preis € 24,95 [D] 25,70 [A]
ISBN 978-3-95728-084-8

Style Guide von Inès de la Fressange: Was ziehe ich heute an?

(Titelbild: Pixabay: rozeroodart)

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Buchvorstellung „Guten Morgen, Herr Lehrer“

Liebe Flaneure,

Lesen macht klug – und wo bekam man es früher beigebracht? Im Zweifel in der Dorfschule! Zu diesem Thema haben wir hier eine tolle Buchvorstellung für Sie – inklusive Leseprobe 🙂 Immer wieder tolle Literaturtipps finden Sie natürlich auch in der aktuellen Ausgabe des Vintage Flaneurs.

Darum geht es in dem Buch
Wer auf dem Land groß geworden ist, kennt sie noch, die einklassige Dorfschule, in der die Schüler aller Altersgruppen gemeinsam in einem Raum unterrichtet wurden. Die Lehrer Siegfried Kirchner, Manfred Wenderoth und Egon Busch begannen Anfang der 1960er Jahre in solchen Dorfschulen ihre Laufbahn. Heiter, witzig, oft auch skurril sind die Anekdoten und Geschichten aus dieser Zeit, als der Herr Lehrer neben dem Bürgermeister und dem Pastor noch zu den hochgeachteten Persönlichkeiten im Dorf zählte.
Die Drei Lehrer erzählen im Buch von ausgefallenen, oft lustigen oder kuriosen Begebenheiten aus dem Klassenzimmer und dem Dorfalltag, von Wanderungen und Festen und von Klassenfahrten der „Landeier“ in Großstädte. Immer wieder müssen die jungen Lehrer dabei unvorhersehbare Situationen meistern.

Es sind herrlich unterhaltsame Schulgeschichten, die bei Ihnen Erinnerungen an ähnliche Episoden aus der eigenen Schulzeit wecken werden. Lesen Sie weiter unten einen kleinen Auszug!


Kirchner, Wenderoth, Busch
Guten Morgen, Herr Lehrer
Drei Dorfschullehrer erzählen. 1959-2002.
Unterhaltsame und heitere Erinnerungen an die einklassige Dorfschule.
256 Seiten mit vielen Abbildungen, Ortsregister,
Zeitgut Verlag, Berlin.
Klappenbroschur
ISBN 978-3-86614-225-1
Euro 10,90


 

[Bayrischer Wald, Mittelfranken; Ende 1940er/50er Jahre]
Siegfried Kirchner
Der Birnbaumpädagoge
Neben meinen eigenen Erlebnissen möchte ich an dieser Stelle von Erlebnissen anderer Kollegen erzählen, die mir im Verlauf meiner langjährigen Tätigkeit zu Ohren gekommen sind.
Jeder Lehrer erlebt in seiner Laufbahn nicht nur angenehme Unterrichtstage, die gut verlaufen, nein, es gibt für ihn auch solche, an denen er sich ärgern muss und an die
er sich aus irgendeinem Grund nicht gern erinnert. Was allerdings vor vielen Jahren einmal einem Pädagogen an einer ungeteilten Landschule im südlichen Mittelfranken passiert ist, war wohl nicht nur äußerst merkwürdig, sondern wahrscheinlich auch einmalig:
An einem schönen Septembertag stand der Lehrer wie immer vor den ihm anvertrauten Kindern im Klassenzimmer und mühte sich redlich, ihnen etwas Rechtes beizubringen.
Alles verlief zu seiner Zufriedenheit. Als er nach einiger Zeit den Schülern schriftliche Aufgaben erteilt hatte und alle beschäftigt waren, fiel sein Blick durchs Fenster auf den Birnbaum, der draußen im Garten stand. Die milde Herbstsonne blinzelte durch das Geäst, das schwer zu tragen hatte an zahllosen gelben reifen Früchten, die nur darauf zu warten schienen, dass sie geerntet werden. Weiß der Kuckuck, welcher Teufel den Lehrer damals ritt, es zog ihn jedenfalls bei diesem Anblick mit unwiderstehlicher Gewalt hinaus ins Freie. So ging er, wohlversorgt mit Korb und Leiter, in den Garten und begann unverzüglich mit der Obsternte. Nicht, dass er seine Schulkinder dabei vergessen hätte; als gewissenhafter Erzieher gab er durch die geöffneten Fenster des Klassenzimmers seine Anweisungen und forderte die Schülerinnen und Schüler auf, sich ruhig zu verhalten und fleißig weiter zu arbeiten. Irgendwie war er sogar ein wenig stolz darauf, was er alles gleichzeitig fertigbrachte: Obst ernten, dabei Kinder unterrichten und obendrein eine von den süßen Birnen verspeisen – das können die wenigsten!
Doch dann geschah etwas Unerwartetes. Das Unglück schreitet bekanntlich schnell, in diesem Falle kam es anmarschiert in der Person des Schulrate, der ausgerechnet an diesem Tag den Unterricht des Lehrers inspizieren wollte.
Als der das Klassenzimmer betrat, sah er zwar viele Kinder, die ihren schulischen Pflichten nachkamen, aber keinen Lehrer. Nach entsprechenden Hinweisen der Schüler eilte er in den Garten und ging zielstrebig auf den Baum zu, in dessen Krone noch immer ahnungslos der birnenpflückende Schulmeister hockte. Als der den Schulrat erblickte, war er, starr vor Schreck, weder zu einer Bewegung, noch zu einem Wort fähig. Am liebsten hätte er sich hinter einem dicken Ast versteckt, wenn das nur möglich gewesen wäre. Schließlich musste er sich aber doch aus seiner Schreckstarre lösen, denn der Schulrat forderte ihn auf, sofort herunterzukommen. Nachdem dies geschehen war, begaben sich die Herren ins Schulzimmer.

Gab es ein ernstes Gespräch unter vier Augen?
Wurden disziplinarische Maßnahmen ergriffen?
Ersteres ist anzunehmen, von letzterem wurde nichts bekannt. Der ertappte Sünder arbeitete offenbar sonst zur Zufriedenheit seines Vorgesetzten. Es ist zu vermuten, dass der Schulrat das Fehlverhalten des Pädagogen als einmaligen „Ausrutscher“ betrachtete.
Im Dorf aber verbreitete sich die Nachricht von diesem Ereignis wie ein Lauffeuer. Schlimmer war, dass auch ein Kollege davon erfuhr, und wenn es einer weiß, dann wissen es meistens bald alle. Man kann sich vorstellen, mit wieviel Spott und Häme der Pädagoge bei der nächsten Lehrerkonferenzbegrüßt wurde. Unter der Schadenfreude hatte er noch längere Zeit zu leiden. Schließlich gab es jedoch wieder andere Neuigkeiten und die  Hänseleien der Kollegen ließen nach.  Den Spitznamen aber, den der bei der Obsternte Ertappte damals erhielt, wurde er nie mehr los, und so blieb er bis ans Ende seiner Tage „der Birnbaumpädagoge“